Virtualisierung und Individualisierung erzeugen neues Rollenverständnis bei Bildungsfachleuten

    Kurz vor Jahresende 2022 haben wir an dieser Stelle ein ausführliches Interview mit Lernwerkstatt Olten CEO Daniel Herzog publiziert mit seinem Branchen-Jahresrückblick zum Thema berufliche Weiterbildung. Nun geht der Blick Richtung 2023 und darüber hinaus.

    (Bild: zVg) Lässt immer wieder tief blicken, worauf man sich künftig in der Weiterbildungsbranche einstellen muss: Branchenkenner und «-Scout» Daniel Herzog.

    Einige Trends in der beruflichen Weiterbildung zeichnen sich schon länger ab, neue kommen dazu. Das Tempo der Veränderungen hat sich seit der Pandemie stark beschleunigt. Bildungsanbieter sind somit weiterhin sehr gefordert, wenn sie am Markt erfolgreich bleiben wollen.

    Daniel Herzog, worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie auf das Jahr 2023 blicken?
    Daniel Herzog: Ich freue mich, dass ich im 2023 in unseren Lehrgängen wieder viele spannende Menschen aus den unterschiedlichsten Branchen kennenlernen werde. Oft begleiten wir unsere Teilnehmenden über Jahre. Sie starten mit dem SVEB-Zertifikat Ausbilder/in oder mit unserem 12-tägigen Coachinglehrgang. Dann packt viele das Lernen und Jahre später treffe ich die gleichen Menschen wieder, wenn sie stolz ihren Fachausweis Ausbilder/in oder Betriebl. Mentor/in oder gar das eidgenössische Diplom Ausbildungsleiter/in in der Hand halten. Es ist ein sehr schönes Gefühl zu wissen, dass man zu diesem Erfolg als Bildungsanbieter einen Beitrag geleistet hat.

    Auf welche Branchentrends und Tendenzen in Didaktik und Methodik bereitet sich die Lernwerkstatt Olten (LWO) im Jahre 2023 bereits vor?
    Mit der Pandemie hat sich einiges verändert. Innert kürzester Zeit haben sich die Bildungsteilnehmenden an virtuellen Unterricht mit Videokonferenzsystemen gewöhnt. Mehr noch: Sie haben die Vorteile, wie die wegfallende Reisezeit, schätzen gelernt. Wir haben diesen Trend aufgenommen. Seit diesem Jahr gibt es bei uns fast ausschliesslich Lehrgänge im Blended-Learning-Format. Das heisst, es gibt Kurstage vor Ort und andere per Zoom.

    Virtueller Unterricht ist nicht immer die methodische Ideallösung. Dennoch ist und bleibt es ein Trend. Die LWO ist eine Spezialistin in dieser Form der Wissensvermittlung. Deshalb die Frage an Sie: Was müssen die Weiterbildungsunternehmen tun, um sich in diesen Bereich zu verbessern?
    Wichtig ist, dass man nicht einfach einen Kurstag unverändert vom Präsenz-Setting ins virtuelle Setting überführt. Lange Monologe beispielsweise sind schon vor Ort mühsam, im virtuellen Unterricht dann aber endgültig verheerend. An vielen tausend Seminartagen haben wir in den vergangenen drei Jahren gelernt, was guter virtueller Unterricht ist. Dieses Know-how stellen wir übrigens allen Bildungsanbietern in Form von Live-Webinaren zu 39 verschiedenen Themen rund um das digitale und virtuelle Unterrichten und Coachen zur Verfügung (www.live-webinare.ch).
    Zusätzlich zum methodischen Können braucht es heute aber auch ein gutes Learning Management System mit attraktiven Lerninhalten. Hier investieren wir aktuell mehrere Hunderttausend Franken.

    Wenn Sie auf die kommenden Jahre blicken: Welcher Trend wird in der Branche zum Megatrend?
    Ich gehe davon aus, dass sich das Lernen weiter stark individualisiert. Als erstes in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung. Bildungsanbieter arbeiten an Settings, die ein zeit- und ortsunabhängiges Lernen ermöglichen. Lernangebote sollen dann zur Verfügung stehen, wenn neue Kompetenzen benötigt werden. Tempo und Strategie der Know-how-Aneignung soll jede Person selber steuern können. Dann wird in einigen Jahren Lernen im virtuellen Raum Standard sein. Die Technologien werden sich rasant weiterentwickeln. Vorübergehend werden wir uns mit Virtual Reality-Brillen noch wirklichkeitsnaher im Bildungsumfeld bewegen. Und neue Technologien werden in Kürze weitere ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Die Virtualisierung und Individualisierung bedürfen einem neuen Rollenverständnis der Bildungsfachleute. Die klassischen Dozierenden werden zu Lernbegleiter/innen, Mentor/innen und Online-Tutor/innen. Die Verantwortung für das Lernen verschiebt sich weg von der Lehrperson hin zu den Lernenden.

    Welche neuen Lehrgänge dürfen wir von der LWO dieses Jahr erwarten?
    Wir waren in der Konzeption sehr aktiv. Ich freue mich auf den Start der Ausbildung «HR-Assistent/in HRSE», welche wir zu 100 Prozent online anbieten. Wir haben unser Angebot im Bereich Coaching um den Dipl. Job Coach und den Dipl. Business Coach erweitert. Dann startet dieses Jahr auch erstmals die dreijährige Grundausbildung in Transaktionsanalyse.

    JoW

    www.lernwerkstatt.ch

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